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Frauen und Computer
Interview mit Frances Grundy

ZzS:
Frances, wie kommt es, daß eine Informatikerin mit Schwerpunkt Datenbanken und Systementwicklung ihr wissenschaftliches Interesse auf ein Thema richtet, das man eher der Soziologie zuordnen würde: das Verhältnis der Geschlechter zur Informatik?
FG:
Soziologie spielt sicher eine Rolle, aber Wissenschaftler, die sich mit diesem Thema beschäftigen, bedienen sich psychologischer, linguistischer, philosophischer Methoden. Ich denke, es ist ein Fehler, den soziologischen Aspekt zu betonen, weil dann die Informatiker versucht sind zu sagen, das ist Soziologie, damit haben wir nichts zu tun. Viele Naturwissenschaftler und Informatiker schauen sowieso herab auf die Soziologie, und wenn das ein soziologisches Thema ist, brauchen sie sich nie wieder damit rumärgern. Ich denke aber, die Informatik sollte einen Moment innehalten und sich fragen, was da eigentlich läuft. Es gibt viele Berufsfelder, in denen bisher kaum Frauen arbeiten, aber es gibt wenige, wo auch der Anteil der Studentinnen so gering ist. Paradoxerweise ist das - und der Fakt, daß Informatik noch ein relativ junges Fach ist - auch eine Chance: zu erkunden, warum das so ist, und die Dinge zu ändern, bevor sie festgefahren sind.

Was mich persönlich betrifft, haben mich Rechner immer fasziniert, seit ich Mitte der sechziger Jahre angefangen habe, damit zu arbeiten. Aber ich hatte nie das Gefühl, richtig dazu zu gehören. Anstatt jetzt meine Energie zu verschwenden, indem ich dieses Gefühl bekämpfe, habe ich mich entschieden, die Gründe dafür herauszufinden.

ZzS:
Warum interessieren sich scheinbar so wenig Frauen und Mädchen für Computer?
FG:
Manche Leute sagen, das Problem liege an den Schulen, und dort sollte es angesprochen werden. Und wenn die Schulen es im Griff hätten, wäre alles gut. Ich denke, das Problem muß von allen möglichen Seiten angepackt werden.

Ich würde es in zwei Kategorien aufgliedern: zum einen die Art und Weise, wie das Thema Computer präsentiert wird, und in welcher Umgebung das geschieht. Hier ordne ich die Sprache und die Metaphern ein, die wir benutzen, die Bilder in der Werbung und in Büchern, und dann natürlich Spiele. Nicht nur die Art von Computerspielen - ,,Schlagt-sie-zusammen-und-schießt-sie-tot``, sondern auch, wie Frauen in diesen Spielen dargestellt werden. Und natürlich gehören auch zwischenmenschliche Beziehungen dazu: das Verhalten von Lehrern und Dozenten beispielsweise, oder wie Jungs mit ihren Mitschülerinnen oder -studentinnen umgehen.

Die zweite Ansammlung von Gründen liegt in der Natur der Informatik selbst. Von Anfang an dominierten Mathematiker und die Hardwareleute das Feld. Die Informatik selbst ist sich jedoch noch nicht ganz sicher über ihre Identität. Wegen dieses Mangels an Selbstbewußtseins, denke ich, ist da der Wunsch, sich eine Art männlicher Identität zuzulegen, indem man eine Natur- oder Ingenieurwissenschaft sein will. Und dieses natur- oder technikwissenschaftliche Image stößt Frauen ab.

ZzS:
Es ist doch bezeichnend, daß Frauen hauptsächlich Anwenderinnen, Endbenutzer sind, während die Entwicklungs- und Programmierarbeit meistens von Männern geleistet wird...
FG:
Das ist dasselbe Phänomen wie die Sekretärin, die ihre Schreibmaschine benutzt, ohne irgendeinen Einfluß auf das Design der Schreibmaschine zu haben, oder die Frauen am Fließband in den Fabriken. Wenn man die Frauen dazu bekommt, diese Jobs zu machen, hält man sie klein - und man behält den Männer die Entscheidungspositionen vor.
ZzS:
Kann es so etwas wie eine weibliche Computer-Kultur geben?
FG:
Sicherlich könnte es eine andere Computer-Kultur geben. Ob ich sie spezifisch weiblich nennen würde - da bin ich mir nicht sicher. Sie wäre sicher reizvoller für Frauen, aber auch viele Männer würden sie begrüßen.

Die ganze Selbstdarstellung der Computerwelt und die Aufgabenstellung in der Informatik müßten völlig neu gedacht werden. Zum Beispiel müßten wir uns mit Problemen beschäftigen, die keine einfache Lösung - Fehler oder Erfolg - haben, oder Software entwickeln, die viel mehr Interaktion erlaubt. Und wir sollten nicht mehr sagen: ,,Der Computer löst Ihr Problem¡`, sondern stattdessen zeigen, wie Rechner Menschen bei ihren Aufgaben unterstützen können.

ZzS:
Wenn man sich das Hier und Heute anschaut, gibt es viele Frauen, die Scheu vor dem Computer haben. Was soll ich mit einer Freundin machen, damit sie den Rechner nicht als ihren Feind begreift?
FG:
Sie braucht jemanden, dem sie vertrauen kann, eine Frau, die sich mit ihr an den Rechner setzt und die Maschine kennt. Dann sollte sie jede Frage stellen dürfen, ohne sich dumm vorzukommen. Auf gar keinen Fall darf ihre Freundin sie von oben herab behandeln. Noch besser ist jedoch, wenn beide nicht besonders viel Ahnung haben, dann können sie gemeinsam lernen.

Das Internet als Ausgangspunkt zu nehmen ist eine Möglichkeit. Ich denke, es kann sehr aufregend sein, sich gleich als erstes mit Leuten am anderen Ende der Welt zu unterhalten. Und dann gibt es die Multi-User-Dungeons, wo man sich eine neue Persönlichkeit zulegen kann.

ZzS:
Viele meiner Bekannten klagen, ihre Freundinnen interessierten sich nicht für Computer. Wie können speziell Männer Frauen am Rechner ermutigen?
FG:
Das ist eine schwierige Frage. Denn sehr oft, wenn Männer Frauen am Rechner ,,helfen``, helfen sie in Wirklichkeit nicht, sondern sagen den Frauen, was sie tun sollen. Ich denke, sie sind sich nicht unbedingt bewußt, daß sie das tun.

Männer sollten Frauen einfach ermutigen, selbst alles auszuprobieren und herauszufinden, was wie geht. Sie sollten nur nicht dabeisitzen und ständig Hilfe anbieten.

ZzS:
Frances, wenn Sie zum Semesterende nach England zurückkehren - welche Erinnerungen und Anregungen nehmen Sie mit aus Freiburg?
FG:
Oh, ich habe meinen Aufenthalt hier sehr genossen, besonders die Stadt. Freiburg ist eine sehr schöne Stadt, und es hat sich gelohnt, hier zu arbeiten.

Was meine Arbeit betrifft: Internationale Vergleiche liefern einen Einblick in die eigene, heimische Umwelt. Sie helfen, Dinge im eigenen Land zu sehen, die einem ansonsten verschlossen bleiben.

Eine Sache ist, daß die verschwindend geringe Anzahl von Frauen in der Informatik ein allgemeines Phänomen darstellt. So kann ich meinen Informatiker-Kollegen sagen, daß das ein großes und sehr interessantes Problem ist, das wir aufgreifen müssen, und daß es in unser aller Interesse ist, es zu lösen.

Äußerst interessant sind auch die Unterschiede in Ost- und Westdeutschland, was Frauen in Naturwissenschaften und im Computerbereich betrifft, und der Einfluß, den die Wiedervereinigung darauf hatte. Das kann uns Hinweise darauf geben, warum die Dinge für Frauen im Computerbereich so schlecht aussehen.

Die andere Sache ist, daß wir jetzt mit dem Institut für Informatik und Gesellschaft zusammenarbeiten, und weltweite Zusammenarbeit wird hoffentlich dazu führen, daß eine kritische Masse von Frauen zusammenkommt, die die Voraussetzung dafür ist, daß die Dinge sich ändern.

Frances Grundy ist Informatik-Dozentin an der University of Keele/England. Zur Zeit lehrt und forscht sie als Gastwissenschaftlerin am Institut für Informatik und Gesellschaft der Universität Freiburg. Das Interview führte und übersetzte Patricia Jung.


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Patricia Jung
Thu May 14 22:10:24 CEST 1998