Vielfältig: Freedows arbeitet wie ein Chamäleon -- je nach Anwendung
variiert das Betriebssystem seine Konfiguration. Foto: AP
Der Schlüssel dazu liegt in einem modernen Betriebssystemkonzept namens Cache Kernel, das an der Stanford University entwickelt wurde: Ein Cache Kernel kann zur Laufzeit sogenannte Application-(Anwender-)Kernel laden, die die Funktionalität anderer Betriebssysteme bereitstellen. Da sich das alles nicht auf der Benutzerseite, sondern im Inneren des Betriebssystem abspielt, geht es im Gegensatz zu einer Emulation sehr schnell vonstatten. Zudem können verschiedene Applicationkernel geladen werden; bei Freedows ist zunächst an einen Applicationkernel für Windows 95 und Windows NT gedacht, auch 16-bittige Windowsapplikationen sollen unterstützt werden. Später sollen Applicationkernel für DOS, Linux und MacOS hinzukommen. Freedows wird sich letzten Endes also wie ein Chamäleon verhalten: Für eine Windows-Textverarbeitung wird der Windows-Applicationkernel geladen, so daß dieses Programm "denkt", es liefe tatsächlich unter Windows. Startet man außerdem ein Linux-Graphikprogramm, sieht der Rechner aus der Sicht dieses Programms wie ein Linuxrechner aus -- offensichtlich laufen aber beide Programme zur selben Zeit auf einem Freedows-Rechner. Da Freedows-Applicationkernel lediglich eine Schnittstelle bieten müssen, die aus Sicht eines Anwendungsprogramms aussieht wie sein eigentliches Betriebssystem, und fast alle Schnittstellen selbst von Microsoft-Betriebssystemen bekannt sind, benötigen die Freedows-Entwickler auch kein illegales Wissen über Windows.
Reece Sellin ist zwar der Initiator und Koordinator des Projekts -- an der Freedows-Entwicklung sind jedoch Freiwillige aus aller Welt beteiligt. Derzeit arbeiten etwa 200 Programmierer am Projekt mit -- und ein Vielfaches an Leuten, die organisatorische Aufgaben übernommen haben. Persönlich gegenübergestanden haben sich die wenigsten von ihnen -- die Kommunikation läuft über e-mail, Internet Relay Chat und das WWW. Wie Linux untersteht auch Freedows der GNU Public Licence, die festlegt, daß ein Programm -- kostenlos oder gegen Entgelt -- nur zusammen mit seinem Quellcode verbreitet werden darf.
Auf die erste öffentliche Beta-Version wird man wohl noch bis ins zweite Halbjahr 1998 warten müssen. Über den Fortschritt des Projekts kann man sich unter http://www.tu-clausthal.de/~matsa/freedows/ informieren.
Zeitung zum Sonntag, 22.02.1998