Wer die Wahl hat...von Patricia Jung |
Viele Linux-Einsteiger greifen dann einfach zu dem, was die beste Freundin schon laufen hat. Oder sie hoffen, daß der letzte Distributionstest in Zeitschrift xy recht haben wird. Doch gerade aktuelle Distributionstests können gar nicht anders, als die Kandidaten zu installieren und anhand eines Fragenkatalogs abzuprüfen -- Zeit, das System ein paar Monate unter Arbeitsbedingungen laufen zu lassen, ist da nicht. Die wirklich störenden oder hilfreichen Seiten einer Distribution treten jedoch erst dann zu Tage, wenn das System "wächst" und seine eigene "Persönlichkeit" entfaltet. Und wenn der zu installierende Rechner als Büroknecht oder gar Server dienen soll, ist vielleicht eine andere Distribution besser geeignet als die, die sich für private Spiel- und Testmaschinen als optimal erwiesen hat.
Wir haben deshalb langjährigen wie auch noch recht "jungen" Linuxer(inne)n die Frage gestellt: "Warum fährst Du genau die Distribution, die Du fährst?"
Ich benutze Debian, und zwar, weil ich bei S.u.S.E. das Gefühl hatte, es wird mir durch YaST, suseconfig etc. zuviel Arbeit abgenommen. Um Linux genauer kennenzulernen, ist Debian einfach besser geeignet. Im Gegensatz zu anderen, RPM-basierten Distributionen benutzt Debian zum Verwalten der installierten Software den Paketmanager dpkg.
Bei vielen Debianpaketen werden Konfigurationsskripte mitliefert, wie z.B. bei smail, wo die Konfiguration zum Kinderspiel wird. Im Gegensatz dazu bevorzugt S.u.S.E. das Monster sendmail zum Empfangen und Ausliefern von E-Mail, wo ich mich erst durch die Hilfsdatenbank wühlen muß, um ihn richtig zu konfigurieren.
Vor allen Dingen aber ist Debian vollkommen frei und wird nicht von Angestellten irgendeiner Firma erstellt, sondern von Leuten wie du und ich. Und nicht zu vergessen: Ein CD-Abzug kostet nur etwa ein Drittel einer S.u.S.E.-Box. Daß kein Handbuch dabei ist, ist nicht weiter schlimm, da Debian eher für erfahrenere User gedacht ist.
Daniele Frijia,
Schüler,
Linuxer seit einem Jahr
Mit Debian hatte ich auf Anraten eines Kollegen experimentiert, aber nach kurzer Zeit herausgefunden, daß ich dafür viel mehr Zeit aufbringen muß -- die Dokumentation zu S.u.S.E. ist sehr viel besser. Bei einem Umstieg hat man als S.u.S.E.-Geschädigter zudem die Hürde zu nehmen, daß man z.B. Konfigurationsdateien woanders erwartet, als sie bei Debian (und anderen Distributionen) liegen.
Oliver Osburg,
Germanistik-/Anglistik-/Computerlinguistikstudent und Systemadministrator,
erster Linuxkontakt vor zwei Jahren
Jürgen Doser,
Mathematikstudent,
Linuxer seit drei Jahren
Einmal installiert, möchte man das Debian-Paketsystem aber nicht mehr missen. Es löst nicht nur selbständig Abhängigkeiten zwischen Paketen auf, sondern ermöglicht auch ein problemloses Upgrade von Softwarepaketen selbst im laufenden Betrieb. In der aktuellen Version 2.0 gibt es über 1800 Packages; in der demnächst erscheinenden 2.1 werden es bereits über 2000 sein. Die meisten Pakete kommen in einer sinnvollen Grundkonfiguration. Selbst komplexere Dinge wie INN oder Sendmail laufen auf Anhieb.
Das Debian-Projektteam legt großen Wert auf den Lizenzstatus der Software. Nur Pakete, die die strengen Anforderungen der Debian Free Software Guidelines erfüllen, werden in den main-Zweig der Distribution aufgenommen. Andere Pakete werden zusätzlich angeboten, aber unter die Rubrik non-free eingeordnet und damit sauber von der eigentlichen Distribution getrennt.
Auch die Kryptographie-Exportproblematik ist bei der Debian sauber gelöst. Kryptographische Software wird unter der Rubrik non-US nur auf einem Server in Europa angeboten, um nicht mit den amerikanischen Exportrestriktionen in Konflikt zu kommen.
Ein großes Plus der Debian ist die Online-Dokumentation. Das Debian- Dokumentationssystem dwww ermöglicht einen einheitlichen Zugriff auf die unterschiedlichen Formate von Unix-Dokumentationen über einen WWW-Browser.
Ein Schwachpunkt der Debian ist die Geschwindigkeit der Paketverwaltung. Sie basiert auf einen sehr ineffizienten Datenbankformat und ist zum Teil in Skriptsprachen geschrieben. Das Installieren von Paketen wird auf älteren Rechnern zur Geduldsprobe. Oberhalb eines Pentium-100 spielt dies jedoch keine Rolle mehr.
Harald Weidner forscht
zu
Themen wie
Sicherheitsmanagement, System- und
Netzwerksicherheit und
Kryptographie.
Claudius Link,
Mathematikstudent, Entwickler und Administrator
Lars Hennig,
Physikstudent
Uwe Jendricke,
Diplominformatiker
Für S.u.S.E. gibt es hauptsächlich zwei Gründe: Sie liegt im Rechenzentrum auf dem FTP-Server (somit sind Software-Upgrades recht einfach), und wir haben keine besonders guten Erfahrungen mit Red Hat 4.2 gemacht: Die Pakete waren im Vergleich mit einer gleichalten S.u.S.E. wesentlich älter. Außerdem kennen wir S.u.S.E. halt am besten ;)
Philipp Schott,
Mathematikstudent,
Linuxer seit ca. 5 Jahren
Marcus Rist,
Netzwerktechniker und Systemadministrator
Kurz: Für Unix-Cracks bietet Slackware eine stabile Basis aus Utilities, gcc und X11, die durch make; make install jederzeit erweitert werden kann. Für Anfänger dagegen ist die Distribution unbrauchbar, da viele der mittlerweile gängigen Pakete fehlen.
Beat Rubischon,
Netzwerk- und Systemadministrator,
Linuxer seit 1994
Aktuell benutze ich Caldera, und das, um ehrlich zu sein, aus Faulheit: Wir haben ziemlich viele Distributionen ausprobiert, und als wir bei Caldera waren, hatte ich keine Lust mehr. Es gab aber auch noch einen politischen Grund: Damals war Caldera die einzige Firma, die Linux ernst nahm, und das wollten wir unterstützen. Mittlerweile sind wir etwas desillusioniert, haben aber noch nicht entschieden, welche Distribution wir in Zukunft nehmen wollen.
Donna.,
Entwicklerin, Administratorin und
Maintainerin der
linux-women-Mailingliste
Im deutschsprachigen Fido (damals war noch nicht viel los mit Internet) waren damals (ca. 1995/1996) S.u.S.E. und DLD die verbreitetsten Distributionen; nachdem DLD das schlechtere Installationsprogramm hatte und schlechter vorkonfiguriert war, bin ich bei S.u.S.E. geblieben, und inzwischen fühle ich mich bei dieser Distribution "heimisch".
Was mir nicht gefällt, sind vor allem zwei Dinge:
Martina Umlauft,
Informatikstudentin und Webdesignerin
Axel Eble,
Systemspezialist in der Netzwerkbranche
An Red Hat gefällt mir die übersichtliche Installation und die gute Einhaltung des Linux Filesystem Hierachy Standards (FHS), wodurch das Auffinden von systemweiten Konfigurationsdateien sehr erleichtert wird. Ein weiterer Pluspunkt ist die Trennung von Paketmanager (RPM) und Konfigurationstools. Es gibt keine zentrale Konfigurationsdatei, aus der weitere Dateien erzeugt werden -- ein Vorteil, wenn eigene Änderungen in den Dateien "überleben" sollen. Auch die Vorkonfiguration der einzelnen Pakete ist gut, einzig bei den Paßwörtern sollte lieber per Default das Shadow-Paßwortsystem aktiviert sein.
Christian Perle,
Informatikstudent,
Linuxer seit ca. drei Jahren
Ich benutze die S.u.S.E., weil sie so einfach zu installieren ist, auch für AnfängerInnen (meistens zumindest). Richtig sympathisch wurden mir die S.u.S.E.-Leute, als ich mal eine Support-Frage hatte, und sie mir, obwohl ich sagte, daß die Distribution gar nicht mir gehörte, beantwortet wurde.
Einmal versuchte ich, eine Debian zu installieren, die mit in einem Buch lag. Das habe ich dann aber ziemlich schnell wieder aufgegeben, weil ich damals gar nichts mehr verstanden habe.
Sibylle Nägle,
Maschinenbaustudentin
Für zu Hause verwenden wir in der Abteilung zumeist S.u.S.E. 5.3/6.0 und Debian 2.0. Der Grund für die Benutzung von Debian beruht auf der Aktualität der zur Verfügung gestellten Software und der einfachen und schnellen Fehlerbehebung und Beratung über das Internet (Newsgruppen etc.). Außerdem halte ich die Paketverwaltung für sehr gut durchdacht.
Auf Red Hat haben wir zurückgegriffen, weil für Alphas das immer noch am ausgereiftesten und am stabilsten ist. Jedoch haben wir auch schon Versuche mit Debian unternommen.
Für zu Hause halten wir S.u.S.E. am besten, da die Installation und Administration erheblich einfacher ist als unter Debian. Debian dagegen bietet bessere Eingriffsmöglichkeiten von Seiten des Systemadministrators.
Was leider allen Linux-Distributionen fehlt, ist eine einfache Installation und Administration für ein Cluster von Linux-Rechnern wie bei uns. Man mountet nun mal die /usr-Platte auf allen Rechnern, und das bereitet immer wieder Probleme beim Installieren und dem Setup der Pakete.
Peter Biechele,
Physiker
Red Hat 5.2 verwende ich im Geschäft wie privat insbesondere für Serverrechner, an denen Leute auch dran rumbasteln können sollen. Red Hat ist schlanker und überschaubarer, sehr einfach zu installieren und als Standard-Distribution leicht erweiterbar. Red Hat überzeugt durch schnelle dauerhafte Einsatzmöglichkeiten, inzwischen auch ein wenig mehr Systemsicherheit und Software, die sich nicht gegenseitig in die Quere kommt, sondern miteinander harmoniert.
Red Hat mußte ich kennenlernen, um Oracle zuliebe auf die glibc6 umzusteigen. Es hat nicht geschadet, und Red Hat plus Oracle ist das Datenbanksystem, für das ich am meisten schwärmen könnte. Da bremst mich dann nur die Unkenntnis von Debian, ich habe den Vergleich leider nicht.
Ich habe bis vor neun Monaten auch noch Slackware für ganz besonders schlanke und solide Serversysteme eingesetzt. Slackware paßt in die mit Red Hat umrissene Kategorie "Serverrechner", und glänzt(e) durch eher veraltete, aber rundum solide Software, bei der keine oder kaum noch Bugs drin sind (waren). Beinahe sämtliche alten Slackware-Systeme laufen bis heute noch unverändert (und ohne Reboot).
Sören M. Sörries,
Linuxer seit 1991,
Oracle-Administrator und
Perl-Programmierer bei einem ISP